Kräutergeschichten

Projekt „Die Kräutergeschichten von Gornji Grad“

Kräuterkunde ist ein Wissen, ein kulturelles Erbe und eine Fertigkeit, die in Klöstern und Dörfern entwickelt und bewahrt wurde, sowohl im täglichen Leben als auch in den (erzählten) Geschichten. Das interdisziplinäre Projekt „Die Kräutergeschichten von Gornji Grad“ (Zeliščarske zgodbe Gornjega Grada) widmet sich der Bewahrung und Neuinterpretation des Erbes, Entwicklung eines nachhaltigen Tourismus, dem Erwerb beruflicher Kompetenzen und dem Kennenlernen von Karrieremöglichkeiten. Das Projekt ist Teil der Ausschreibung Studentenprojekte für nachhaltige Entwicklung (Študentski projekti za trajnostni razvoj). Daran beteiligt sind sieben Studentinnen aus verschiedenen Studienrichtungen, zwei Lehr- und zwei Arbeitsmentorinnen. Die Hälfte der Teilnehmerin kommt aus Gornji Grad und Umgebung.

Der aktive Teil des Projekts läuft vom 1. November 2022 bis zum 30. Januar 2023 ab und ist in drei Phasen aufgeteilt. Die erste Phase besteht aus einer Präsentation der Aktivitäten der Arbeitsmentorinnen und des Ortes Gornji Grad, seiner Geschichte und seines Erben, der Herausforderungen des nachhaltigen Tourismus und einer Reflexion über innovative Lösungen für seine Entwicklung. Danach folgt ein Überblick der bereits gesammelten narrativen Überlieferung und der Sammlung von neuen Materialien zum Thema Kräuterkunde. In der zweiten Phase wird das gesammelte Material mit ausgewählten Punkten im Gebiet von Gornji Grad verknüpft und ein thematischer Touristenpfad „Entlang der Kräuterpfade von Gornji Grad” entworfen. Die ausgewählten Texte werden ins Deutsche, Englische und Polnische übersetzt, eine Registerkarte auf der Website wird vorbereitet und ein Faltblatt entworfen. Die letzte, dritte Phase ist für die Präsentation des Projekts an die interessierte Öffentlichkeit (in Form eines geführten Spaziergangs auf dem geplanten thematischen Touristenpfad) und für die Vorbereitung eines Artikels zur Veröffentlichung in einer lokalen Zeitung reserviert.

Foto: Eva Glavan

Das Projekt ist eine Partnerschaft zwischen dem Privatsektor (zwei lokale Unternehmerinnen) und Bildungseinrichtungen. Neben dem Erwerb konkreter praktischer Kompetenzen zielt das Projekt darauf ab, die unternehmerischen und kreativen Möglichkeiten im lokalen Umfeld kennenzulernen. Dies ist für das Bewusstsein der Potenziale, die dieses Umfeld bietet, für die Dezentralisierung und für die Ermutigung junger Menschen, nach beruflichen Möglichkeiten im lokalen Umfeld zu suchen, von wesentlicher Bedeutung. Das Projekt ermöglicht es den teilnehmenden Studierenden, in einer interdisziplinären Gruppe zu arbeiten, sich zu vernetzen, theoretisches Wissen mit der Praxis zu verbinden und berufsspezifische Kompetenzen zu erwerben, die sie beim Studium (sonst) nicht erworben hätten. Die Ergebnisse des Projekts werden in vollem Umfang für die weitere Entwicklung eines hochwertigen und nachhaltigen Tourismus in der Gemeinde Gornji Grad nutzbar sein, welche als ein problematisches Grenzgebiet eingestuft ist und daher bei der Suche nach kreativen Entwicklungsmöglichkeiten besondere Aufmerksamkeit verdient.

Foto: Eva Glavan

Zeliščarna v Gornjem Gradu
Foto: Eva Glavan

An dem Projekt nehmen Studierende aus verschiedenen Universitäten, Fakultäten und Studienrichtungen teil: Jasna Reščič (Abteilung für Slawistik und Abteilung für Slowenistik), Lana Turk (Abteilung für Germanistik mit Niederlandistik und Skandinavistik), Hana Selišnik (Abteilung für Ethnologie und Kulturanthropologie), Tia Ilievski Andrič (Abteilung für Englisch und Abteilung für Ethnologie und Kulturanthropologie) von der Philosophischen Fakultät der Universität Ljubljana; Eva Glavan von der Fakultät für Design – Unabhängige Hochschuleinrichtung; Nina Repenšek Poličnik von der Fakultät für Tourismus – Turistica der Universität Primorska und Jerneja Krajcar von der Fakultät für Computerwissenschaft und Informatik, Universität Ljubljana.

Die Betreuung obliegt Doz. Dr. Lidija Rezoničnik von der Abteilung für Slawistik der Philosophischen Fakultät der Universität Ljubljana sowie Doz. Dr. Anja Moric von der Abteilung für Ethnologie und Kulturanthropologie der Philosophischen Fakultät der Universität Ljubljana. Externer Partner des Projekts ist das Unternehmen Babave, družba za ohranjanje in reinterpretacijo naravne in kulturne dediščine, d. o. o. (Gesellschaft für die Bewahrung und Neuinterpretation des Natur- und Kulturerbes, d. o. o./GmbH) das von Amanda Kladnik und Maja Žerovnik geleitet wird. Die Projektdurchführung obliegt der Koordinatorin Urška Gruden (Zentrum für Lehrerbildung der Philosophischen Fakultät, Universität Ljubljana).

Die Projektteilnehmerinnen machen sich mit den Arbeitsmentorinnen Amanda Kladnik und Maja Žerovnik auf die Suche nach dem verborgenen Kulturerbe von Gornji Grad und hauchen ihm wieder Leben ein. Durch das Sammeln lokaler Geschichten und die Vorbereitung eines thematischen Touristenpfads entlang der Kräuterwege von Gornji Grad wollen wir die Magie der Kräuter wiederbeleben und sie Slowenien und der Welt vorstellen. Da wir fest davon überzeugt sind, dass das Kennenlernen des Kulturerbes und die Wiederbelebung von Traditionen für die Gemeinschaft von größter Bedeutung ist, haben wir uns genau das zum Ziel gesetzt. Im Laufe des Projekts wollen wir mehr über den Ort, seine Vergangenheit und seine Kultur erfahren, den mündlich überlieferten Geschichten der Einheimischen horchen und vor allem innovative Ideen für die Gestaltung eines Tourismus entwickeln, der mit der lokalen Gemeinschaft in Verbindung stehen und sie respektieren wird.

Text: Jerneja Krajcar, Lidija Rezoničnik, Übersetzung: Lana Turk

Gornji Grad

Die Aufmerksamkeit von Reisenden, die durch Gornji Grad fahren, wird von der riesengroßen Kathedrale auf sich gezogen, die in der Mitte der tektonischen Verwerfung zwischen der Menina Planina, der Lepenatka und der Rogač-Gruppe steht. Der heute sehr friedliche Ort ist 800 Jahre lang das Zentrum eines der größten zusammenhängenden Grundbesitze auf dem Gebiet des heutigen Sloweniens gewesen. Im Laufe der Geschichte hat es mehrmals Besitzer gewechselt: Zuerst war es im Eigentum des Adels, danach im kirchlichen Besitz (anfänglich gehörte es dem Benediktinerorden und mit der Gründung der Diözese Ljubljana wurde die Kathedrale dieser übergeben). Dass dieses Gebiet in der Vergangenheit autark war und nur minimalen Kontakt mit der Umgebung pflegte, zeigen auch die Eigenheiten des Dialekts des Oberen Savinja-Tals, der sich in vielerlei Hinsicht von den anderen Dialekten der steirischen Dialektgruppe, in die er eingeordnet wird, unterscheidet. Aufgrund der Geschlossenheit des Gebietes hat sich im Oberen Savinja-Dialekt die Stimmgruppe „ła“ erhalten. Die enthält die urslawische silbische Konsonante „ł“, die im Slowenischen nur im Süden der Bela krajina erhalten ist. Zugleich war Gornji Grad als Zentrum des Grundbesitzes der Ort, an dem Innovationen aus anderen europäischen Feudalgebieten Einzug hielten.

Gornji Grad z Menine planine - panorama - foto: Tomo Jesenicnik - visitsavinjska.com

Foto: Tomo Jesenicnik – visitsavinjska.com

Katedrala sv. Mohorja in Fortunata v Gornjem Gradu, foto: Eva Glavan

Foto: Eva Glavan

Die Benediktiner erhielten das Land im 12. Jahrhundert vom Patriarchat von Aquileia. Damals haben sie an der Stelle der heutigen Kathedrale in Gornji Grad ein Kloster gebaut. Im Klostergarten wurden neben anderen essbaren Pflanzen auch Heilkräuter angepflanzt. Darunter befanden sich Kräuter, die in Gornji Grad vorher nicht bekannt waren, da die Benediktiner sie aus anderen Klöstern (auch von der Mittelmeerküste) brachten.

Nach den Benediktinern wurde der Gornji Grad-Besitz von dem 1461 gegründeten Bistum von Ljubljana übernommen. Zuvor wurde Gornji Grad von den Grafen von Celje das Marktrecht verliehen und unter den Bischöfen von Ljubljana wurde es dann zu einem wichtigen Amts- und Gerichtszentrum der Herrschaft sowie zur Sommerresidenz der Bischöfe. Im Jahr 1928 erhielt Gornji Grad die Stadtrechte. Damals wurde ein Komplex mit Ämtern für das gesamte Obere Savinja-Tal gebaut, der aber während des Zweiten Weltkriegs zerstört wurde. Seine Rekonstruktion kann man heutzutage auf der virtuellen Tafel sehen, die nicht weit von der Kathedrale steht. Im 18. Jahrhundert wurde durch Auftrag von Laibacher Bischof Ernst Attems an der Stelle des ehemaligen Klosters die größte Barockkirche Sloweniens gebaut. Die Kirche der Heiligen Mohor und Fortunatus ist bis heute die volumenmäßig größte Kirche Sloweniens. Neben der barocken Architektur und Ornamentik verbirgt das Seitenschiff ein weiteres Juwel – das Heilige Grab, das die BesucherInnen durch meisterhafte Verwendung der Perspektive fasziniert und die Kapelle, in der es steht, viel größer erscheinen lässt. Von besonderem Wert in der Kirche sind sechs Gemälde von Martin Johann Schmidt, besser bekannt unter dem Namen „Kremser Schmidt“ (1718–1801), darunter z. B. die Auferstehung und Himmelfahrt Christi.

Neben den wertvollen Denkmälern bewahrt Gornji Grad auch ein reiches immaterielles Kulturerbe. Während Maja und Amanda in ihrer „Zeliščarna“ (Kräutergeschäft und Teehaus) eine Teemischung mit heißem Wasser übergießen, versetzen sie die BesucherInnen in eine Zeit, in welcher der Weg zum Laden, zur Apotheke oder zum Arzt für die BewohnerInnen des Oberen Savinja-Tals noch lang und beschwerlich war. Dies galt am längsten für die vereinzelten Bauernhöfe, die noch heute stehen. Einige von ihnen kann man vom Počrevin-Hügel aus am Hang von Menina betrachten.

Foto: Eva Glavan

Wegen ihrer Entlegenheit mussten die Menschen in Gornji Grad sich selbst helfen können, wenn sie oder ihr Vieh krank waren. Einige von ihnen waren als lokale Heiler bekannt, und ihre Geschichten sind unter der lokalen Bevölkerung noch immer verbreitet. In der Kräuterkunde-Geschichte von Gornji Grad treffen sich also die offizielle benediktinische Schulmedizin und die Volksheilkunde.

Auf dem Gebiet des ehemaligen Klosters, das sich heute hinter der Kathedrale befindet, legten Maja und Amanda einen Kräutergarten an, der von den traditionellen lokalen Gärten inspiriert ist. Darin sind, wie in dem Benediktinergarten von einst, Heil- und Nutzpflanzen aus ganz Europa zu finden.

 

Text: Jasna Reščič, Übersetzung: Lana Turk